Die dunkle Seite der Textilindustrie

Antonia Ablass /Textildesignerin, spricht in einem Interview anlässlich der Fashion Revolution Week mit Paula über ihre Ideen, mit Hilfe von Textilien eine positive Veränderung anzustoßen.

Die Textilindustrie muss nachhaltiger werden

„Die Textilindustrie ist eine der dreckigsten Industrien der Welt. Die Lieferkette ist so lang und komplex, weshalb meine Wertschätzung für Textilien unglaublich hoch ist. Ich glaube, dass Textilien die Kraft haben, zur Lösung weltweiter Probleme beizutragen. Textilien haben eine tiefe Verankerung in jeder Kultur und die damit verbundene Handarbeit kann Menschen empowern, wenn wir hier im Westen lernen wieder wertzuschätzen, was unsere Vorfahrinnen zerstört haben.

Naturmaterialien als Alternative zu Plastik in Textilien

Ein großes Problem ist der immer steigende Einsatz von fossilen Rohstoffen in der Textilindustrie. Polyester, Nylon und Elastan sind im Grunde nichts weiter als durch kleine Düsen gepresstes Plastik. Naturmaterialien hingegen haben komplexe Strukturen, die spannende Eigenschaften mit sich bringen.“

Interview

Paula: Antonia, du studierst Textildesign, machst zur Zeit aber ein Praktikum beim Centre For Organismal Studies (Biologie Labor), deine Arbeit beinhaltet also sowohl gestaltend-kreative als auch forschende Aspekte. Kannst du mehr darüber erzählen?

Antonia: Ich beschäftige mich in unterschiedlicher Form mit den verschiedenen Verbindungen von Textil und Pflanzen. Dabei arbeite ich wissenschafltich, künstlerisch und in dem Raum dazwischen. Viele meiner Ansätze beschäftigen sich damit, wie man Textilien nutzen kann, um Pflanzen anzubauen. Beim Centre For Organismal Studies beschäftige ich mich aktuell mit der Idee, Textilien verholzen zu lassen mittels Pflanzenzellen.

Zwei Ansätze in Antonias Arbeit: Technisch und künstlerisch.

Paula: Worum geht es dir bei diesen zwei sehr unterschiedlichen Ansätzen?

Antonia: Ich würde sagen, die Ansätze unterscheiden sich in zwei Kategorien: technisch und künstlerisch.
Beim künstlerischen Ansatz geht es darum, mithilfe von Textil die Beziehung von Mensch und Natur aufzuzeigen. Ich habe zum Beispiel handgewebtes Textil von Pflanzen überwachsen lassen, um die Macht der Natur zu demonstrieren. Meine begrünte Kollektion würde ich auch unter diesem Aspekt einordnen.

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Pflanzen wachsen auf dem Gewebe.
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Pflanzen verwachsen mit dem Gewebe.
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Das Gewebe wird durch die Pflanzen verformt.


Bei dem technischen Aspekt geht es dann eher darum, Lösungen für eine bessere Verbindung von Mensch und Natur zu finden. Ich entwickle zum Beispiel ein Modul für Vertikalbegrünung, das man ganz einfach an seinen Zaun, Balkon oder seine Hauswand hängen kann. Die Idee mit den Pflanzenzellen könnte – ganz hypothetisch – ein interessantes Material statt Holz sein und so unsere Wälder schonen.

Faszination Textilien: Die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten

Paula: Kannst du erklären, was dich an Textilien so fasziniert?

Antonia: Ich finde so faszinierend, wie viele Gestaltungsmöglichkeiten sich auftun: es gibt unterschiedliche Materialien wie Baumwolle, Hanf, Wolle, etc. alleine hier sind die Eigenschaften schon so unterschiedlich. Dann kann man jedes einzelne Material unterschiedlich zu einem Faden verarbeiten (spinnen, zwirnen, flechten). Und dann werden die Fäden noch zu einer Fläche verarbeitet, also vertsrickt oder verwebt. So ergeben sich unzählige unterschiedliche Möglichkeiten zu gestalten und es kommen noch Farben und Drucke und auch eigentlich noch viel mehr dazu, das finde ich sehr inspirierend.
Besonders spannend finde ich Gewebe, deren Fäden im 90 Grad Winkel verbundenen sind. Diese strenge, geometrische Struktur, die der Mensch vor langer Zeit mit der Kultur des Webens erfunden hat, bietet einen besonders spannenden Kontrast zu den organischen Strukturen der Natur.

Organisches Überwachsen des Gewebes; Gewebe dient den Pflanzen als Halt und Wasserzufuhr.

Paula: Du sagst, daß geometrische Strukturen „menschlich“ sind und organische Strukturen „natürlich“. In der Natur kommen doch aber auch sehr geometrische Strukturen vor, oder?

Antonia: Klar! Trotzdem assoziieren wir geometrische Strukuren eher mit Menschgemachtem. Ich denke dabei zum Beispiel an Kanäle die meistens ganz gerade durch Landschaften gezogen sind, mit sehr geraden Wänden; Flüsse dagegen schlängeln sich organisch durch Landschaften.

Die Beziehung von Mensch und Natur in Materialien

Paula: In deiner Kollektion hast du unterschiedliche Materialien genutzt. Welche Eigenschaften haben diese für dich?

Toni: Bei der Kollektion ging es mir um die Beziehungen von Mensch und Natur. Wobei Ich hier wieder das Menschgemachte als das geometrische, kalte, gerade definiere und das Natürliche als organisch. Dann habe ich versucht, diesen Kontrast in unterschiedlichen Konstellationen durchzuspielen: technisches Material mittels organischer oder geometrischer Formen darzustellen. Natürliches Material in geometrischen Formen und technisches Material in organischer Form darzustellen. Das technische Material habe ich dann wiederum von den Pflanzen überwachsen lassen. Gerade handgestrickte Kleidung wirkt auf sehr natürliche Art und Weise unregelmäßig, so dass ihre Struktur der von Pflanzen ähnelt.

Pflanzen als Designelement
Kontrast Mensch – Natur: Pflanzen auf metallischem Gewebe.
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Kettenhemd-Optik von zarten Pflanzen durchbrochen.

Fashion Revolution und Nachhaltiger Konsum von Mode: Tipps von Antonia.

Paula: Diese Woche ist Fashion Revolution Week. Du engagierst dich für diese Organisation ehrenamtlich. Hast du einen Tipp, wie man Mode nachhaltiger konsumieren kann?

Antonia: Second Hand ist oft die beste Option, aber das ist nicht immer möglich. In diesem Fall empfehle ich, kleine, unabhängige Designerinnen und Labels zu unterstützen, die auf Qualität achten und lokal oder in Kooperation mit anderen produzieren. Beim Kauf von Kleidung sollte man auf folgende Fakten achten:

– 100 % ige Materialien, besonders bei Hosen, Pullovern und Shirts, da sie besser recyclebar sind. Außerdem sind Naturmaterialien natürlich auch angenehmer zu tragen

– Etiketten aus Baumwolle

– Bio, da wo möglich

– Falls der Preis abschreckt, empfehle ich, die vielen Arbeitsschritte, die in das Produkt eingeflossen sind, noch einmal genau zu betrachten. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob der Preis nicht doch gerechtfertigt ist.

– Am Ende nicht den Spaß an Mode verlieren und doch aufgeben, das heißt: tauschen, teilen, drüber reden, gemeinsam reparieren, Neues entdecken, Altes wieder entdecken…

Antonias Traumprojekte: Ein textiler Garten und eine gemeinsame Umgestaltung der Nachbarschaft.

Paula: Was wäre dein Traumprojekt? Denke mutig!

Antonia: Es gibt zwei Dinge , die ich sehr gerne umsetzen würde: das erste Projekt wäre einen Raum in einen textilen Garten umzuwandeln. Einen Raum, in dem man sich verliert zwischen textilen Strukturen und Pflanzen, die auf ihnen wachsen. Auch Säulen, kleine Mauern und Geländer wären mit Textil bespannt und bewachsen. Es würde bewachsene Decken geben, mit denen man sich zudecken kann und so die „Natur“ ganz nah am Körper spüren könnte.

Das zweite Projekt hätte eher einen sozialen Kontext. Ich würde gerne eine Gegend mit Wohnblöcken, die jetzt nicht unbedingt super schön ist, gemeinsam mit den Leuten die dort wohnen umgestalten. Textilien aufhängen, die dann Pflanzen an die Häuser und Zäune bringen und vielleicht auch auf die langweiligen Grasflächen. Mir wäre es wichtig, mit den Leuten die dort wohnen, zusammen zu arbeiten. Schauen, was wird gebraucht, worauf haben die Leute überhaupt Bock.

Danke Antonia, ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg.