Collagen von Caro Mantke – ein pseudomedizinisches Experiment

‚Life is a Cut-Up‘

William S. Burroughs

Caro Mantke macht dreidimensionale Collagen. Sie arbeitet skulptural mit dem Papier und erweitert so die klassische Collage formal um die dritte Dimension. Besonders dieses dreidimensional Analoge reizt sie an ihrer Arbeit.  Es steht im Kontrast zum zweidimensional Digitalen, mit dem sie es als Grafikdesignerin zu tun hat. Im Unterschied zum Digitalen sagt sie, kann die Collage die Komplexität, das Echte, unserer Welt spiegeln.

 

Caro, Du hast in Weimar an der Bauhaus Universität Visuelle Kommunikation studiert. Was hat Dich dazu inspiriert Collagen zu machen?

Durch die fast ausschließliche Arbeit am Computer als Designerin war ich inhaltlich und taktil ausgehungert, könnte man sagen.

„Man kommt ja in so einen Trancezustand, wenn man völlig fokussiert auf eine Sache ist.“

Wenn diese Sache dann auch noch analoger Natur ist, macht mich das sehr glücklich. 

Gibt es Parallelen zwischen Deiner Arbeit als Grafikdesignerin und Deinen Collagen?

Ich finde, daß sich Grafikdesign und Collagen gar nicht so unähnlich sind. Bei beidem wird mit Versatzstücken gearbeitet, die für ein bestimmtes Ergebnis nach einem eigenen Prinzip arrangiert werden. Es ist eigentlich nichts anderes als sampeln, auch wenn sich die Materialien unterscheiden, einmal ist es eben ausgeschnittenes Papier und einmal sind es Elemente wie Text, Schrift, Bilder, Farben usw. 

In Deinen Collagen sieht man oft Frauengesichter und Frauenkörper. Worum genau geht es dabei?

Das ist einfach das Material nach dem ich intuitiv greife, das mich anspricht. Vielleicht weil ich selbst eine Frau bin. 

Woher nimmst Du die Vorlagen? Woher stammen die ausgeschnittenen Teile? Sie wirken als würdest Du sie aus Hochglanzmagazinen herausgeschnitten haben. 

Vor einigen Jahren habe ich auf dem Flohmarkt einen riesigen Haufen alter Vogues gefunden, aus den 90iger und Anfang 2000er Jahren.

„Ich habe in der Vergangenheit auch schon Collagen aus anderen Motiven gemacht, bin aber immer wieder zum menschlichen Körper zurückgekehrt. Er ist einfach ein Faszinosum auf ganz vielen Ebenen – „

medizinisch, intellektuell, evolutionstheoretisch, geschichtlich… Unzählbar oft dargestellt, analysiert, thematisiert. Deswegen entferne ich meistens alles was mit Kleidung, Accessoires usw. zu tun hat, um zum Ursprung zu kommen. 

Was ist das Entscheidende, daß Dich dazu bewegt, genau dieses oder jenes Bild für Deine Collagen zu verwenden?

Das weiß ich nicht und ist sicher auch unterschiedlich, je nachdem, was ich erreichen will. Manchmal habe ich einen ziemlich konkreten Plan und brauche dann z.B. einen großen geschminkten Mund, aber nicht frontal, sondern eher etwas von der Seite aufgenommen in einer bestimmten Größe. 

Oder ich habe eine weniger abgesteckte Idee im Kopf und experimentiere. Dann lasse ich mich selbst vom Zufall überraschen, den die Collage als Kunstform mit sich bringt.  

Worin liegt für Dich der Reiz der Collagen Technik?

Der Zufall und dass bereits Motive vorhanden sind, auf die ich reagieren kann.

„Ich schöpfe nicht allein aus mir, sondern meine Umwelt ist Teil meiner Arbeit.“ 

Oft sind die Gesichter und Körper verzerrt, geradezu grotesk angeordnet . Worum geht es Dir bei Deinen Collagen?

Es geht um Dekonstruktion. Darum, Sehgewohnheiten zu verändern, mich selbst zu überraschen. Und weil ich ausgewählte Motive im Fundus habe, geht es natürlich auch um bestimmte Themen, mehr oder weniger konkret.

Seit der Menschheitsgeschichte ist der Frauenkörper sicher weit öfter dargestellt worden, als der Männerkörper. Warum ist das so, und wie wird der Frauenkörper inszeniert? Die Welt ist übervoll von weiblichen Klischeebildern.

Ist deine Arbeit als Kritik zu verstehen an dem perfekten Bild der Frau, was durch die Mode-, Schönheits- und Werbeindustrie geschaffen und propagiert wird?

Meine Arbeit ‚176 Portraits’ ist sicher als Kritik zu verstehen. Aber es macht mir auch generell Spaß, die Schere anzusetzen. Das ist natürlich auch wieder doppeldeutig, wenn man an Schönheitsoperationen denkt.

„Konformität, die Perfektion produziert, langweilt mich. Es amüsiert mich, dieses System ad absurdum zu führen und dabei etwas Neues zu schaffen.“ 

176 Portraits’ ist für mich auch ein pseudomedizinisches Experiment: Wie wäre es, aus all den unzähligen, irgendwie künstlich kreierten, zumindest inszenierten Lebewesen wieder neue Mischwesen entstehen zu lassen, wie eine eigene Population? 

Danke, Caro

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